„Jeder kennt diese Geschichten von Menschen, denen ein Arzt sagt, dass sie nicht mehr lange zu leben haben. Plötzlich leben sie intensiver, ordnen ihre Prioritäten neu und machen das, was sie schon immer machen wollten.“ Genauso verhalte es sich mit den Menschen, die hier in den FriedWald Clam kommen, um sich zur Vorsorge einen Baum als letzten Ruheplatz auszusuchen. „Es wirkt geradezu befreiend. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod lässt einen realisieren, welchen Wert das Leben hat. Ich glaube, wer sich nicht mit dem Tod befasst, weiß nicht, wie man richtig lebt.“
Carl Philip Clam geht voraus durch seinen FriedWald. Das Laub raschelt unter den Füßen, in der Herbstsonne strahlt es einem überall goldgelb entgegen, in üppiger Fülle liegt es auf den Wegen. Viele Bäume hängen noch voll mit der herbstlichen Farbenpracht, einige von ihnen tragen zudem ein blaues oder ein gelbes Band. „Damit markieren wir freie Bestattungsbäume. Bei einem blauen Band kann man den gesamten Baum und alle Liegeplätze darunter erwerben, bei einem gelben Band kann man sich für einzelne Plätze unter dem Baum entscheiden“, erklärt Carl Philip Clam. Er will zum Andachtsplatz, dem Ort, den so viele der FriedWald-Besucher als Kraftort beschreiben.
Er finde es schade, sagt Carl Philip Clam, dass in unserer Gesellschaft der Tod so stark wie möglich aus dem Leben ausgeklammert werde. Dass so viele Menschen lieber weiter in einem Hamsterrad stecken bleiben, als selbstbestimmt das Beste aus der eigenen Lebenszeit zu machen. „Dabei finden Menschen gerade hier in der Natur einen so positiven Zugang zum Thema ,Tod‘.“ Auch die Förster, mit denen er zusammenarbeitet, seien offen mit dem Thema umgegangen. Für sie war es eine große Umstellung – vom reinen Försterberuf hin zum Begleiter von Trauerfeiern, zum Ansprechpartner für Menschen auf der Suche nach einer letzten Ruhestätte für sich oder verstorbene Angehörige.
Doch im Wald ist die Vergänglichkeit ohnehin immer präsent. Gerade hier um die Schlucht, wo das feuchte Klima des Clam-Baches und der nahe gelegenen Donau für einen reichhaltigen und dichten Bewuchs sorgen. Im Frühling und Sommer zieren dicke Moosplatten die freien Stellen unter den austreibenden Bäumen. Das satte Grün verabschiedet sich im Herbst, weicht dem Goldbraun, das schließlich von einer weißen Schneedecke abgelöst wird, die im Winter den Wald einhüllt. Am Rande des Andachtsplatzes werden die langen Schritte von Carl Philip Clam langsamer.
Still geht er durch die aus antikem Granitgestein gefertigten Bänke hindurch, lässt seine Hand über den Rand des aus dem gleichen Material gefertigten Tisches gleiten und bleibt an der Felskante unter einem Kreuz stehen. Das Kreuz als Sinnbild für den christlichen Glauben hier aufzustellen, war Carl Philip Clam wichtig. Gerade bei jenen Beisetzungen, die von der katholischen Kirche durch einen Priester begleitet werden, ist das Kreuz für die Angehörigen noch einmal eine Bestärkung des christlichen Beistandes. „Die Verbindung ihres Glaubens mit dem Ort des Gedenkens in der Natur tröstet. Viele, die hier an der Kante stehen, sagen, der Andachtsplatz sei perfekt gewählt, um innezuhalten.“
Unweigerlich wird der Blick an dem steilen Hang nach unten gezogen, von wo das Rauschen des Wasserfalls bis hier oben ans Ohr dringt. Bei der Sicht in die Ferne, die vom Donautal bis hin zur Steiermark reicht, streift der Blick das gegenüberliegende Plateau und den Aussichtsturm der Burg Clam. Auch der Burgfried blitzt zwischen den Baumkronen hervor. Unweigerlich fragt man sich, ob hier oben nicht nur der Wasserfall zu hören ist. Elton John, Pink, Bryan Adams, Sting – die Liste der großen Künstlerinnen und Künstler, die hier bereits ein Konzert gegeben haben, ist lang.
Die Sommermonate der Familie Clam werden zum Großteil von den Pop-Events auf der Burg bestimmt.Carl Philip Clam schmunzelt. „Es haben schon öfter Menschen, die sich hier einen Baum ausgesucht haben, mit leuchtenden Augen vor mir gestanden. Haben sich ausgemalt, am Grab des Verstorbenen die Pop-Konzerte zu hören. Fast so, als würde man es mit dem geliebten Menschen gemeinsam erleben. Es ist eine schöne Idee, nicht wahr? La Dolce Vita, die Süße des Lebens, so nahe an einem Ort des Verlustes spüren zu können.“ Aber dann muss er die FriedWald-Kunden enttäuschen.
„So nah ist die Burg dem FriedWald dann doch nicht.“ Abgesehen von der Kulisse für Musikveranstaltungen ist die Burg Clam auch Heimat einer der bedeutendsten Kunstsammlungen in Österreich. In der mittelalterlichen Burg befindet sich noch alles an seinem alten, angestammten Platz. Durch Apotheke, Waffenkammer, die alte Küche oder auch die Kapelle werden Führungen angeboten. Der Touristenstrom, der sich dadurch hinauf zur Burg ergibt, sollte einen respektvollen Abstand zur Beisetzungsfläche haben, um Andachtsfeiern und das stille Gedenken nicht zu stören. „Außerdem ist die Burg das Zuhause meiner Familie“, gibt Carl Philip Clam zu bedenken. „Seit sechzehn Generationen gehört das Anwesen der Familie.
Das Waldstück um die Burg befindet sich sehr wahrscheinlich sogar schon seit dem Mittelalter in der Hand der Grafschaft Clam.“ Carl Philip Clam hat im Jahr 2001 das Familienerbe angetreten, seit zwanzig Jahren ist die Burg sein Hauptwohnsitz. „Mein Großvater und mein Vater lebten hier. Auch wenn ich woanders zur Schule ging, habe ich sehr viele Jugenderinnerungen an die Burg. Ferien und Wochenenden habe ich hier verbracht. Als Kinder sind wir dort unten in die Höhlen geklettert oder haben uns in den Felsen versteckt.“
Carl Philip Clam blickt hinab in die Schlucht, zu den Felsen. Er lächelt, zeigt auf die gegenüberliegende Seite der Schlucht. Die Erinnerungen habe er weniger an diesen Teil des Waldes, vielmehr an die Burgseite des Waldes. „Im Anfangsstadium der Planung haben wir uns natürlich gefragt, ob wir einen FriedWald direkt vor der Haustür haben wollen. Eine Frage, die ich nicht nur als Burgherr, sondern auch als Familienvater beantworten musste. Uns war gleich klar, dass der unmittelbar an die Burg angrenzende Wald dafür nicht infrage kommt. Jetzt können wir von der Burg aus den FriedWald zwar sehen, es liegt aber die Schlucht und damit praktisch ein ganzes Tal dazwischen.“
Zudem liegt der FriedWald so im landschaftlich schönsten und ursprünglichsten Abschnitt des Waldgebietes. Buchen, Eichen, Ahorn, Kastanien, Lärchen und zahlreiche andere Baumarten sind hier zwischen den Felsformationen zu knorrigen, teilweise skurrilen Formen herangewachsen.„Ich hatte mich immer gefragt, was man mit dem Waldstück machen, wie man es an das Wanderwegenetz anbinden und sinnvoll verwenden könnte. Und dann kam FriedWald auf mich zu.“ Die Idee, einen Bestattungswald einzurichten und damit diese Waldstruktur über Generationen hinweg zu schützen, gefiel dem gelernten Forstwirt. Natürlich habe er lange recherchiert, sich auf dem Markt der Naturbestattungen genau umgesehen.
Dann war die Entscheidung schnell getroffen. „Ich wollte mit den Besten auf diesem Gebiet zusammenarbeiten. FriedWald ist das professionellste und erste Unternehmen, das in diese Richtung gearbeitet hat. Durch die vielen Standorte in Deutschland hat das Unternehmen sehr viel Erfahrung, von der wir auch hier in Österreich profitieren. “Mit der Entscheidung für den Bestattungswald fiel der Startschuss für eine Reihe von Arbeiten, denn das Hochplateau, auf dem der FriedWald liegt, musste auch für gehbehinderte Menschen zugänglich gemacht werden. Ein Drittel des Waldes ist heute direkt von einem Parkplatz aus mit dem Rollstuhl erreichbar. Kurzzeitige Sorge bei der Projektumsetzung gab es nur mit der Ernennung der Landschaft zum Natura 2000 Schutzgebiet.
Seltene Moos- und Vogelarten kommen hier vor. Carl Philip Clam zeichnet mit seiner Hand kreisförmig aufsteigende Strömungen in die Luft. „Die spezielle Thermik hier scheint den Tieren zu gefallen. Mauersegler, Schwalben und Greifvögel sehen wir oft. Nachts bringt mich eine Uhu-Familie immer mal wieder um den Schlaf.“ Doch vor allem auch um die schützenswerten Fledermauspopulationen ging es dem Land Oberösterreich bei der Ernennung. „Die Lebensräume der Fledermaus müssen wir schützen. Das sind vor allem sehr alte Eichen und einige Felsformationen in der Schlucht. Mit dem FriedWald-Konzept stand das nicht im Widerspruch.
Die verantwortlichen Tierschützer haben uns versichert, dass die Tiere sicherlich keine Angst vor Toten hätten“, erklärt Carl Philip Clam und lacht. Und immerhin gehe es bei dem FriedWald ja genau um das: sich auf das Leben zu besinnen, auf das, was wichtig ist, und es für die Angehörigen und die Nachkommen zu erhalten und zu schützen. „Wir sind stolz auf das, was wir hier geschaffen haben. Wanderwege, steile Aufstiege für Kletterer und die Anfahrt mit dem Auto zum Parkplatz sind möglich. Auch die Bestattungsorte sind so unterschiedlich wie die Leben der Menschen, die sich hier beisetzen lassen. Und landschaftlich ist es wahrscheinlich der dramatischste FriedWald, den es gibt.“